Ich war Mitte dreißig, als ich mit der Yoga-Praxis begann. Damals dachte ich wohl Yoga sei so eine Art Sport und sicher gut für den Erhalt meiner Fitness und Beweglichkeit. Schnell praktiziert und gut einzubauen in den vollgestopften Alltag zwischen junger Familie und wachsenden beruflichen Herausforderungen. Warum ins Fitnessstudio oder zur Laufgruppe, wenn die Yoga-Schule um die Ecke liegt… und obendrein passt es extrem gut in den Zeitgeist der frühen 2000er: Yoga war hip. Glücklicherweise hat es nicht lange gedauert bis ich gemerkt habe, dass beim Yoga um viel mehr geht, als um Beweglichkeit und Fitness (auch wenn das natürlich ein erfreulicher Nebeneffekt ist). Yoga ist heute für mich eine Geisteshaltung, die viel zu meiner Wahrnehmung der kleinen Dinge im Leben, meiner Zufriedenheit und Gelassenheit beiträgt. Selbstverständlich ist das tiefe Ein- und Ausatmen in den Asanas wichtig. Yoga hat mich aber gelehrt meine Achtsamkeit auch auf die kurze Pause zwischen dem Atmen zu richten. Genau das versuche ich zu übernehmen ins Leben. Natürlich ist das Leben geprägt von den großen Dingen: dem Aufwachsen der Kinder, den beruflichen Erfolgen, den Misserfolgen, den Krisen, dem Loslassen… aber große Bedeutung haben auch die kleinen Dinge zwischendrin. Der Kaffeegeruch im Vorbeifahren in der Fußgängerzone auf dem Weg zur Arbeit, die sich jagenden Meisen im Ahornbaum vor dem Bürofenster oder die letzten Sonnenstahlen über der Ruhr auf dem Weg nach Hause sind oft viel erfüllender, als der große Geschäftsabschluss am Nachmittag. Das sind die Pausen zwischen dem Ein- und Ausatmen. Das ist Yoga.